Grüße zum Advent
Der Rathenower Heimatbund e.V. wünscht seinen Unterstützern und seiner werten Kundschaft eine gesegnete Vorweihnachtszeit.
Kurztext: 1954 erlebten die Fürstenbergs in Rathenow Weihnachten erstmals vor dem eigenen Fernseher. Nach mühsamer Antennenmontage und Beschaffung des speziellen Antennenkabels aus Westberlin zeigte ihr neuerworbenes Fernsehgerät die ersten bewegten Bilder. Damit gehörte die Familie zu den Pionieren des Fernsehens in Rathenow – zu einer Zeit, als Fernsehgeräte selten und für Normalverdiener fast unbezahlbar waren.
Das erste Fernseh-Weihnachten in den frühen 1950er Jahren
Als bei Fürstenbergs in Rathenow das Fernsehzeitalter begann
von Hans-Jürgen Wodtke
Beginn des Fernsehens in Deutschland
Seit 1952 jährt sich mit jedem Weihnachtsfest der Tag, an dem in Deutschland das Zeitalter des öffentlichen Fernsehens begann. Zwar gab es schon in den 1930er Jahren in der Reichshauptstadt zu Versuchszwecken ausgestrahlte Fernsehbeiträge, doch wurden diese im Verlauf des 2. Weltkrieges erst nur noch für Sonderanwendungen genutzt und ab 1944 komplett eingestellt. Sieben Jahren nach dem Kriegsende, starteten die Techniker in Ost und West erneut einen Sendebetrieb mit bewegten Bildern, nun aber über die Grenzen der geteilten Stadt hinaus. Dazu begann man im DDR-Fernsehzentrum in Adlershof am 21. Dezember 1952 mit der regelmäßigen öffentlichen Ausstrahlung eines zweistündigen Versuchsproprogramms. Im Westen war man zu dem Zeitpunkt schon einen kleinen Schritt weiter. Hier nahm der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR), wozu auch eine Sendeanstalt in West-Berlin gehörte, bereits am 1. Weihnachtsfeiertag 1952 den offiziellen täglichen Sendebetrieb auf.
Die ersten seinerzeit in der DDR in Radeberg gefertigten Fernsehgeräte. Der Leningrad T2 basierte auf einem sowjetischen Konzept und wurde als Reparationsleistung fast ausschlich auch dorthin geliefert. (linkes Foto) Beim Rembrandt handelte es sich um eine Radeberger Entwicklung für den DDR-Markt. Collage Wodtke
Erste Fernsehempfänger in der DDR
In der DDR wurden ab dem 16. November 1952 die ersten im SAG Sachsenwerk Radeberg produzierten Fernsehempfänger vom Typ „Leningrad T2“ mit einer Bilddiagonale von 23 cm verkauft. Dieses Gerät, bestehend aus einem Fernseh- und Radioteil, kosteten zu jener Zeit stolze 3.500 Deutsche Mark der Deutschen Notenbank (DM) und waren für einen damaligen Normalverdiener mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 300,00 DM ein nahezu unerschwingliches Luxusgut. Eigentlich wurde der „Leningrad T2“ bereits seit 1951 als von den Sowjets angeordnete Reparationsleistung für die Sowjetunion im sächsischen Fernsehwerk produziert. Bis Ende 1953 verließen etwa 130.600 Geräte das Radeberger Werk überwiegend in Richtung Osten. Lediglich um die 3.000 Stück durften auf dem DDR-Markt verkauft werden. Die SAG Sachsenwerk Radeberg war damals der größte Hersteller für Fernsehgeräte in Deutschland. Die gewaltigen und mit Nachdruck verfolgten Produktionsvorgaben für den „Leningrad T2“ durch die Sowjets brachten das Unternehmen, so berichtete mir einst ein Zeitzeuge, oft an den Rand des damals Machbaren.
Fürstenbergs erstes Fernsehgerät
In meiner Familie begann das Fernsehzeitalter im Frühjahr 1961 mit einem 1.600,00 DM teuren „Rafena Start“ mit einer 43-cm-Bildröhre. Aber bereits schon rund sieben Jahre früher hielt das Fernsehen bei Familie Fürstenberg in Rathenow Einzug. Die Fürstenbergs können sich somit mit Fug und Recht zu den Fernsehpionieren der Region zählen. Denn zu diesem Zeitpunkt gab es auf dem Gebiet der DDR erst wenige Fernsehgeräte und die waren zumeist in öffentlicher Hand. Senior Albert Fürstenberg hatte kurz vor Weihnachten im Schaufenster eines Verkaufspavillons auf dem Gelände der heutigen Total Tankstelle in der Berliner Straße in Rathenow ein Fernsehgerät in Funktion bestaunen können und war begeistert. Es handelte sich dabei um einen seit 1952 im Sachsenwerk Radeberg gebauten „Rembrandt“ mit einer heute als sehr klein empfundenen Bildröhrengröße von 24 mal 18 cm. Dieses 40 kg schwere und 67 x 43 x 58 cm große technische Fernsehwunder war zum Verkaufspreis von 1.400,00 DM in der kleinen Verkaufsstelle zu erwerben. Kurzentschlossen kaufte Vater Fürstenberg das damalige Spitzengerät der Fernsehempfangstechnik, mit dem Ziel Weihnachten in den eigenen vier Wänden fernzusehen, ohne sich so richtig bewusst zu sein, welche Folgeinvestitionen noch auf ihn zukommen würden.
Antennenwald auf DDR-Dächern in späteren Jahren. Genau ist nicht bekannt welches Fernseh-Truhen-Modell bei Fürstenbergs Einzug hielt. Vermutlich handelte es sich aber um ein ähnliches Model wie auf der Abbildung. Collage Wodtke
Antennenbeschaffung und andere technische Schwierigkeiten
Zum Glück gab es in der Nachbarschaft der Fürstenbergs einige findige Techniker, die zumindest schon eine gewisse Ahnung von der Materie hatten. So war schnell klar, dass man zum Fernsehempfang eine ordentliche Antenne benötigt, und die gab es damals noch nicht im Handel zu kaufen. Aber es gab Bauanleitungen, nach denen unter den geschickten Händen von Konni Rietpietsch in kürzester Zeit eine Empfangsantenne entstand. Die Antenne fand auf einem rund 10 m hohen Mast schließlich ihren Platz. Dieses Kunstwerk aus Stahl fertigte Schmiedemeister Karl Ahlert in seiner benachbarten Schmiede kurzfristig an. Er half auch anschließend beim fachgerechten Aufstellen und sicheren Befestigen des Empfangsmastes. Alle Beteiligten fieberten anschließend der Inbetriebnahme und damit den ersten Fernsehbildern entgegen. Doch wie war die Enttäuschung groß, als nur konstantes Rauschen den Bildschirm zierte. Weitere Recherchen, die nun auch vom örtlichen Radiofachmann Ziemann unterstützt wurden, lokalisierten unmittelbar vor Heiligabend die verwendete Antennenleitung als mögliche Fehlerquelle. Geeignetes Material war zu der Zeit und dann auch noch kurzfristig nur in Westberlin zu beschaffen. Kurzerhand entschloss sich Mutter Hedwig Fürstenberg am Vormittag des Heiligen Abends noch nach Berlin zu fahren und das geeignete Flachbandkabel dort zu kaufen. Sehnsüchtig wurde sie gegen Mittag von allen inzwischen in das Projekt Involvierten wieder in Rathenow zurückerwartet. Mutter Fürstenberg hielt Wort und übergab die sehnsüchtig erwartete Antennenleitung an die inzwischen noch weiter gewachsene Schar der Akteure und Interessierten. Mit vereinten Kräften und großen Erwartungen wurde das bisherige gegen das neue Kabel ausgetauscht. Nach einigem Nachjustieren der Antenne präsentierte der „Rembrandt“ im Laufe des Nachmittags zur großen Freude aller die ersten Fernsehbilder in Fürstenbergs guter Stube.
Erstes Fernseh-Weihnachten und beachtliches nachbarschaftliches Interesse
Das Ziel zum Weihnachtsfest entspannt in den eigenen vier Wänden fernzusehen war nun auf gutem Wege. Allerdings sprach sich die kleine „Fernsehsensation“ in der Rathenower Curlandstraße schnell herum und führte zu anschließendem regem Besucherverkehr und damit dann doch zu keinem sonderlich entspannten Weihnachtsfest im Jahre 1954.
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 21. Dez. 2022 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow
21.12.2022