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Kurztext: 1904 begann Rathenow den Aufbau einer eigenen städtischen Stromversorgung mit einem städtischen Kraftwerk, errichtet von der AEG. Die Ratsherren entschieden sich für ein Gleichstromnetz. Zu der Zeit prägten Edisons Gleichstrom und Teslas Wechselstro) die Welt der Elektrotechnik. Durch die Einführung des Drehstroms konnten etwas später Kraftwerke außerhalb der Städte gebaut und der Strom nun über weite Distanzen übertragen werden. Rathenow profitierte vom der neuen Technologie der Stromversorgung und dem Anschluss ans überregionale Hochspannungsnetz.
Eine Welt gerät unter Strom
Im Jahre 1904 begann, wenn auch recht spät, Rathenows erfolgreiches Strom-Zeitalter
von Hans-Jürgen Wodtke
Zeitgenössische Ansicht von 1906 am Stadtkanal mit der Rathenower Stadtmauer und dem städtischen Elektrizitätswerk. Sammlung Wodtke
Die Anfänge der Elektrotechnik und Edison vs. Tesla
Kaum jemand macht sich wohl heute beim Betätigen des Lichtschalters ernsthaft Gedanken, welchen großartigen Entwicklungsverlauf die Elektrotechnik in den etwa 150 zurückliegenden Jahren erfahren hat. In Rathenow fassten die Stadtväter aber erst vor 115 Jahren den Entschluss zum Aufbau einer städtischen Elektroenergieversorgung. Zu diesem Zeitpunkt war man in zahlreichen anderen deutschen Städten, aber besonders in den USA und Europa, schon wesentlich weiter.
Bei der Betrachtung der Elektro-Entwicklungsgeschichte, kommt dem amerikanischen Erfinder und Unternehmer Thomas Edison und dem 1884 aus Kroatien in die USA eingewanderten Nikola Tesla eine besondere Bedeutung zu. Beide arbeiteten anfangs gemeinsam an ihrem Traum von der weltweiten Verbreitung der Elektroenergie zum Nutzen der Menschheit. Treibende Kraft der frühen Jahre war der Wunsch der Menschen nach einer sicheren und möglichst wartungsarmen Beleuchtung in ihren Häusern, Fabriken, Kulturstätten sowie auf Straßen und Plätzen. Hier hatte sich zwar schon die Gasbeleuchtung etabliert, doch kam es immer wieder zu spektakulären Bränden und tragischen Unfällen. Zudem ließ die mit Gaslicht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte Lichtausbeute noch viele Wünsche offen.
1879 gelang es schließlich dem Forscherteam unter Edison, die erste langlebige Glühlampe mit Kohlefaden zur Produktionsreife zu bringen. Bald darauf lief die Produktion in Edisons Fertigungsstätte an. Nachdem nun Lampen in größeren Stückzahlen zur Verfügung standen, steckten die Leute um Edison alle Kraft in die ausreichende Bereitstellung von Elektroenergie und deren sicherer Fortleitung zum Verbraucher. Zu jener Zeit standen bereits von Dampfmaschinen angetriebene Elektrogeneratoren zur Verfügung. Diese als Dynamomaschine bezeichneten Generatoren hatte 1866 der deutsche Ingenieur Werner Siemens zur Produktionsreife weiterentwickelt. Doch noch gab es keine Schalter, isolierten Leitungen, Lampenfassungen, Sicherungen und sonstige, eine Elektroanlage ausmachenden Bauteile. Edison hatte den Ehrgeiz, alle dazu benötigten Komponenten in seinem Haus zu entwickeln und in eigenen Fertigungsstätten zu produzieren. Dabei verhießen ihm die zahlreichen Patente, neben dem gesellschaftlichen Ruhm, auch auf langer Zeit persönlichen Reichtum. Die von Edison vorangetriebene Lösung basierte auf Gleichspannung, einer sicheren und sauberen Energieform, wie es damals hieß. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass sich größere Leistungen wirtschaftlich nur über relativ kurze Dienstdistanzen übertragen ließen. So galt seinerzeit der Wert von 1,5 km als ökonomisch vertretbare Entfernung. Das hatte zur Folge, dass die Kraftwerke immer relativ dicht an den Verbrauchern errichtet und betrieben werden mussten. Das brachte in den größtenteils dicht bebauten Städten Schwierigkeiten und erforderte zudem einen hohen technischen und personellen Aufwand.
Dennoch war Edison von seiner Gleichstromlösung überzeugt. Folglich hatte er auch überhaupt kein Interesse an der von seinem Mitarbeiter Tesla entwickelten neuen Wechselstromlösung. Obwohl die Vorteile des Wechselstroms von vornherein klar erkennbar waren, wollte oder konnte das Erfindergenie Edison die Potenziale der neuen Elektroenergieform nicht wahrhaben. Schließlich trennte sich Nicola Tesla im Streit von Thomas Edison und fand in dem US-amerikanischen Erfinder, Ingenieur und Finanzier George Westinghouse einen neuen Partner und Förderer. Westinghouse erkannte schnell die Vorteile des Wechselstroms und setzte alles daran, Teslas Wechselstrom erfolgreich auf den Markt zu bringen. In der Folge entbrannte ein erbitterter Kampf um die Vorherrschaft auf dem Strommarkt. Letztendlich führte dieser langfristig dazu, dass die beiden geistigen Köpfe leer ausgingen und andere das von ihnen zuvor erträumte große Geschäft machten. Wenn auch die Gleichstromversorgung in den Folgejahren nur langsam zugunsten der Wechselstromtechnik vom Markt verschwand, so war deren Ende absehbar. Den raschen Siegeszug der Wechselstromtechnik verhinderten bis ins späte 19. Jahrhundert eine zuvor nicht gekannte Hetzkampagne der Gleichspannungs-Befürworter und die zahlreichen noch auf Edison ausgestellten Patente.
Ansicht des städtischen Rathenower Elektrizitätswerkes am Stadtkanal, Sammlung Wodtke
Deutsche Entwicklungen und Entstehung der AEG
1883 erwarb der in Berlin lebende Emil Rathenau von Thomas Edison das Glühlampenpatent für den deutschen Markt. Nur ein Jahr später gründete er die städtischen Elektrizitätswerke zu Berlin, aus denen ab 1887 die AEG (Berliner Elektricitäts Werke) wurden. Im gleichen Jahr nahm der polnisch-russische Elektroingenieur Michail von Doliwo-Dobrowolski seine Tätigkeit im Unternehmen auf. Bereits nach kurzer Zeit präsentierte er mit dem Dreiphasenwechselstrom (Kraftstrom) eine richtungsweisende Neuentwicklung in der Wechselstromtechnik. Für diese auch als Drehstrom bezeichnete Energieform entwickelte von Doliwo-Dobrowolski in der Folgezeit leistungsfähige Elektromotoren und etwas später auch den ersten Drehstromtransformator. Mithilfe dieses Transformators konnte der elektrische Strom nahezu in jede gewünschte Spannungsebene gewandelt werden. Das war für die Fernübertragung der Elektroenergie ein unschätzbarer Vorteil, an dem letztendlich die Gleichstromlösung gescheitert ist. Mithilfe der auf höhere Ebenen transformierten Spannung konnten die Kraftwerke jetzt vor die Tore der Städte ausgelagert und auch entfernt liegende Dörfer energieökonomisch versorgt werden. Damit waren die Techniker nun in der Lage, dem stetig wachsenden Wunsch der Menschen nach Elektroenergie auch am entferntesten Ort brauchbare technische Lösungen anzubieten.
Hatten noch im 19. Jahrhundert die amerikanischen Forscher und Erfinder die Entwicklung der Elektrotechnik maßgeblich bestimmt, so ging im frühen 20. Jahrhundert die Initiative überwiegend auf deutsche Elektroingenieure und Unternehmen über. In dieser Zeit konnte die AEG bemerkenswerte elektrotechnische Geschichte schreiben. Das Unternehmen entwickelte sich zu einem der innovativsten und leistungsfähigsten Elektrounternehmen der Welt. Auch die Stadt Rathenow profitierte schließlich 1904 von diesem Wissen.
Gleichrichteranlage im Rathenower Elektrizitätswerk. Die Anlage verrichtete bis zu der starken Zerstörung zum Kriegsende 1945 ihren Dienst. (links) Blick in den Generatorraum des städtischen Elektrizitätswerkes. Leider ist nicht belegt wann die Turbinen außer Betrieb genommen wurden. Sammlung Wodtke
Bau und Betriebsaufnahme des Rathenower Elektrizitätswerkes
Hier konnten sich die Stadtväter nach langen Diskussionen und unter dem Druck der ansässigen Industrie zum Bau eines städtischen Elektrizitätswerkes durchringen und ließen dieses von der AEG bauen. Das am 8. März 1904 in Betrieb genommene Werk befand sich in der Altstadt am Schleusenkanal. Anfänglich erzeugten drei große Dynamomaschinen mittels direkt gekoppelten Sauggasmaschinen den benötigten elektrischen Strom als Gleichspannung von 220/440 V.
„Die entstandenen Kosten für das Elektrizitätswerk betrugen nach der Fertigstellung 385.363,33 Reichsmark. Weitere 43.875,00 Reichsmark wurden noch zum Ausbau des Leitungsnetzes benötigt. Im Monat März 1904 gab es 99 Licht - und 24 Kraft – Stromabnehmer. Bereits zum Jahresende hatte sich die Anzahl auf 200 Licht - und 65 Kraft- Abnehmer erhöht. Dieser Zahlenspiegel lässt aber auch erkennen, dass es hier nur um die „ besser gestellte Bürgerschaft“ ging. […] Die Rentabilität war bei diesem Verbrauch noch keineswegs völlig gesichert. Es galt, eine verstärkte Einflussnahme auf die Bürger der Stadt auszuüben. Außerdem war das Leitungsnetz zu erweitern.“ Offensichtlich wuchs der Bedarf an Elektroenergie in der Stadt sehr schnell. „[…] Und so stellte man zusätzlich noch eine Lokomotive [gemeint ist offensichtlich eine Lokomobile, eine bewegliche Dampfmaschine] auf den Hof des Elektrizitätswerkes. Sie trieb einen vierten Generator an. Trotzdem zeigte sich in der weiteren Entwicklung, dass die Stromerzeugung nicht rentabel war. Das führte zu einem neuen Beschluss des Magistrates. Danach sollte sich die Stadt Rathenow an das Hochspannungsnetz des damaligen ‘Kreiselektrizitätswerke Spandau‘ bei Berlin anschließen.
Anschluss an das überregionale Hochspannungsnetz
Diese Firma hatte in den Jahren 1910/11 eine 15.000 V Hochspannungsleitung durch Teile des Kreises Ost- und Westhavelland gezogen. Für Rathenow endete diese Leitung zunächst am Grünauer Weg in der Höhe der heutigen Rheinstraße. Sie wurde später bis zur Milower Straße und bis zur Premnitzer Pulverfabrik […] geführt. Im weiteren Verlauf der Netzerweiterung führte man die Zubringerleitung im Jahre 1912 [über weitere Übergabepunkte in der Stadt bis zum] Elektrizitätswerk. Damit war der Anschluss an das Überlandnetz vollzogen. Ein Teil der elektrischen Energie wurde im Elektrizitätswerk mit Hilfe von Quecksilberdampfgleichrichtern in den damals noch üblichen Gleichstrom umgeformt und in die Haushalte abgegeben.“ Fortsetzung folgt
Quellen:
• Gustav Isensee, „Über 70 Jahre Energieversorgung der Stadt Rathenow“, Rathenower Heimatskalender 1975
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 17. Dez. 2017 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow