Kurztext: Das Postwesen in der Region um Rathenow entwickelte sich vom privaten Landpostwesen des 18. Jahrhunderts über staatlich organisierte Postämter im 19. Jahrhundert bis zu modernen Postverbindungen mit Eisenbahn und Kraftpost Mitte des 20 Jahrhunderts. Die 1855 verordnete tägliche Zustellung, wachsende Briefmengen und neue Poststellen spiegeln den Wandel bis in die nahe Vergangenheit wieder. Heute nimmt die klassische Briefpost weltweit ab, so dass man, wie das Beispiel Dänemarks zeigt, den Briefpostbetrieb einstellt.
Ein Rückblick in die frühe regionale Postgeschichte
von Hans-Jürgen Wodtke
Frühe Postzustellung in der Rathenower Region
Die oft geäußerte Meinung „Früher war alles besser“, begegnet uns nahezu täglich im Leben. Und so manches Mal scheint da auch durchaus ein Funken Wahrheit drin zu stecken. So jedenfalls auch mein erster Gedanke, als ich unlängst ein in die Jahre gekommenes „Jerichower Kreisblatt“ mit einer Mitteilung vom 26. Januar 1855 in Händen hielt.
In diesem wurde höchst offiziell verkündet: „Seit dem ersten des Monats erhalten zum Landbriefbestellbezirk des Post-Amtes in Rathenow gehörenden Ortschaften und Etablissements - in Stelle den früheren wöchentlichen viermaligen - mit Ausnahme des Sonntags tägliche Bestellungen durch Landbriefträger.“
Was dann folgt ist eine alphabetische Auflistung von Orten von Adermannshütte bis Zollchow. Erstaunlicherweise finde man in der Aufzählung auch zahlreiche Dörfer und Ortsteile, welche sich westlich der Havel, also im Kreis Jerichow II, befinden. Alle diese Orte waren nun täglich vom Rathenower Postamt aus postalisch zu betreuen. Mit den damaligen verkehrstechnischen Möglichkeiten und der noch schwierigen örtlichen Verkehrswegesituation muss das für die Landpost, auch bei einem sicherlich noch geringen Postaufkommen, eine gewaltige Herausforderung gewesen sein. Dennoch haben unsere Vorfahren diese Aufgabe, selbst auch bei schwierigen Witterungsbedingungen, zu lösen versucht.
Zeitgemäße Darstellung von der Rathenower Kraftpoststelle. Gut erkennbar sind die damals praktizierten unterschiedlichen Arten der Postzustellung. Sammlung Wodtke
Die Entwicklung des Rathenower Postwesens
Einen umfassenden Einblick in die Postgeschichte unserer Region mit Rathenow als Schwerpunkt findet man in den Rathenower Heimatkalendern von 1996 bis 1999. Die umfangreichen und detaillierten Ausführungen verdanken wir dem einstigen Rathenower Architekt und Geschichtsfreund Heinz Möller. Nach seinen Recherchen reichen die Anfänge des Postwesens in Rathenow bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Danach war der erste erwähnte Postmeister Heinrich Meinicke, der bis zu seinem Tod 1725 im Gasthof „Zur goldenen Krone“ in der Steinstraße / Ecke Mühlenstraße tätig war. In dieser Zeit wurde die Posthalterei noch privat geführt, meist von ehemaligen Offizieren, die ihre Diensträume selbst vorhalten mussten.
Im 19. Jahrhundert schließlich wurde der Postdienst dann zunehmend staatlich organisiert. Doch sollte es noch bis 1855 dauern bis die Ära der offiziell ausgebildeten Fachpostmeister in Rathenow begann.
Die Einführung von Briefkästen ab 1824 und der stete Ausbau des Postnetzes verbesserten den Postverkehr erheblich. Nach Gründung der „Kaiserlichen Reichspost“ im Jahr 1871 wurde Rathenow Teil des reichsweiten Postsystems. Der Postverkehr nahm in der Folgezeit stark zu. So wurden im Jahre 1889, bei rund 18.000 Einwohnern in Rathenow, täglich über 3.000 Briefe und rund 250 Pakete bearbeitet.
Mit der Anbindung Rathenows an den Eisenbahnverkehr verloren die Postkutschen und Pferdeomnibusse ab 1871 zunehmend an Bedeutung für den Postvertrieb. Besonders der überregionale Transport erfolgte mit der Eröffnung weiterer Bahnlinien ab der Jahrhundertwende nun überwiegend per Bahn. 1922 begann das Zeitalter der sogenannten Kraftpost, einer kombinierten Personen- und Posttransportlinie. Linien nach Garz, Schollene, Milow und Vieritz verbanden nun zuverlässig Rathenow mit der Region. Mit Ende der Inflation wuchs der Postverkehr dann weiter rapide an.
Weiterführende Informationen zur regionalen Postgeschichte finden Interessierte in den vorstehend aufgelisteten Rathenower Heimatkalendern.
Ein Gespann des Karriolpostdiestes vor der Böhner Gaststätte sowie langjährigen örtlichen Poststelle von Wilhelm Küsel. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde auf diesem Wege die Post ins Haveldorf gebracht. Bildcollage Wodtke
Das frühere Premnitzer Postwesen
Eine dem Premnitzer Stadtarchiv vorliegende Aufzeichnung von 1940 beschreibt die frühe Entwicklung des Postwesens im Ort und den angrenzenden Ortschaften. In dem Dokument heißt es: „In dem Haus an der Ecke Milower- und Hauptstraße, der heutigen Gastwirtschaft Müller (Retorte), bestand [um 1871] eine Poststelle, ähnlich den heutigen Postämtern. Die Zustellung der Post erfolgte durch das Dienstmädchen des damaligen Gastwirts. 1896 […] erbaute der kriegsbeschädigte Christian Mueller in der Hauptstraße ein Wohnhaus in der Absicht eine Postagentur zu übernehmen. Die Genehmigung wurde erteilt und damit war die Grundlage zum heutigen Postamt gelegt. Außerdem wurden 1896 in Döberitz eine Posthilfsstelle eingerichtet. Premnitz erhielt die beiden Briefträger Hammann und Meier. Hammann bestellte die Post in Döberitz und in einem Teil von Premnitz. Den übrigen Teil von Premnitz bestellte weiterhin das Dienstmädchen des Postagenten Müller. Der Briefträger Meier beförderte zudem die Botenpost von Premnitz über Milow nach Vieritz.“ Offensichtlich wurde in der Folgezeit mit dem stetig wachsendem Postverkehr die Postzustellung zu aufwendig. Denn, so heißt es, wurde der Postverkehr vorübergehend von der Milower Poststelle übernommen, bis dann um 1904 eine Karriolpostverbindung von Premnitz eingerichtet wurde. Von nun an fuhr der Briefträger Hübner mit einem einachsigen Briefpostwagen, auf dem auch noch Platz für ein bis zwei Fahrgäste waren, die Orte Jerchel, Neu-Dessau, Bützer und Vieritz an. Ab 1915 sollte sich dann, als Folge des Baus der Pulverfabrik in Premnitz und des damit sprunghaft angewachsenen Postverkehrs, im örtlichen Postwesen gravierendes verändern. Nicht nur das jetzt der Postbetrieb von einem von der Pulverbetrieb bereitgestellten neuen Gebäude abgewickelt wurde, taten nun neben einem Postassistenten mindestens 10 untere Beamte ihren Dienst. Die rasante weitere Entwicklung des Postwesens in Premnitz wurden durch das Kriegsende und Inflation drastisch gestoppt und konnte erst Mitte der 1920er Jahre wieder an die Vorkriegszeit anknüpfen. So konnte am 26. Januar 1926 ein neuerrichtetes Postamt mit Dienstwohnungen sowie einem Beamtenwohnhaus mit vier Wohnungen in Betrieb genommen werden.
„Ende einer Ära“: Dänemark verabschiedet sich von klassischer Briefpost
In Dänemark werden bereits die öffentlichen Briefkästen abgebaut, da die dänische Post (Postnord) ihre Briefzustellung Ende 2025 einstellen wird. Postnord konzentriert sich zukünftig auf den lukrativeren Paketversand. Wer also Briefe nach Dänemark verschicken möchte, muss für den Versand nach alternativen Lieferdiensten suchen oder online-basierte Dienste nutzen.
So gesehen sind wir, was unser Postwesen betrifft, zwar schlechter als 1855 aber immer noch besser als in unserem Nachbarland gestellt. Doch wie lange wohl noch?
- Quellen:
- „Postgeschichte der Stadt Rathenow“, Heinz Möller, Rathenower Heimatkalender 1996 bis 1999
- "Postamt Premnitz, Westhavelland" Zeitzeugenbericht von 1940, Premnitzer Stadtarchiv
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 3. Jan. 2026 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow