Grüße zum Advent
Der Rathenower Heimatbund e.V. wünscht seinen Unterstützern und seiner werten Kundschaft eine gesegnete Vorweihnachtszeit.
Kurztext: Bis ins 19. Jahrhundert mussten die Menschen eigene Laternen tragen oder mieten, um sich nachts zurechtzufinden. Ab 1680 ordnete Berlin eine städtische Beleuchtung an, ab 1811 gab es erste Gaslaternen in Deutschland. In Rathenow nahm die städtische Gasbeleuchtung 1866 ihren Betrieb auf. Fortschritte wie Glühstrumpf, Pressgas und Fernzünder verbesserten sukzessive Helligkeit und Komfort, bis durch die Elektrifizierung die gasbetriebenen Laternen allmählich ersetzt wurden
Geschichtlicher Streifzug durch die Außen- und Straßenbeleuchtung
Gaslicht für den Rathenower Kirchberg
von Hans-Jürgen Wodtke
Prächtige 5-Flammige Kandelaberleuchte in Rathenow. Sammlung Wodtke
Notwendigkeit nach Beleuchtung
Wenn unsere Vorfahren bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bei Dunkelheit unterwegs sein wollten, dann mussten sie sich auch in den Städten zu ihrer gefahrlosen Orientierung etwas einfallen lassen. So heißt es in einem alten Fachbuch zu dieser Thematik: „Wer nicht stolpern, in den Rinnstein fallen, mit dem Kopf gegen harte Gegenstände rennen und öfter, als ihm lieb war, in etwas Weiches treten wollte, der muss bei Dunkelheit eine Laterne mitnehmen. Vornehme Leute ließen sich vom Diener ‘vorausleuchten‘. Andere wieder liehen sich Mietlaternen nebst Träger aus. Diese wurden von eigens dazu gegründeten Instituten stundenweise gegen ein Entgelt angeboten.“
Frühe städtische Beleuchtung in Berlin
1680 forderte die Berliner Obrigkeit ihre Einwohner auf, eine Laterne mit brennendem Licht an jedem dritten Haus der Straße aufzuhängen. Gemeinsam mit den „lieben“ Nachbarn war dafür zu sorgen, dass diese die nächtliche Straße zuverlässig erhellte. Wie das in der Praxis funktionierte, kann man sich gut vorstellen. Darum ließ der „Große Kurfürst“ erbost auf Kosten der Bürger Laternen auf Pfählen montieren. Diese erleuchteten fortan von September bis Mai, wenn auch nur leidlich, Berlins Straßen. Da die Unkosten für den Erhalt und Betrieb die Bürger begleichen mussten, warfen diese in ihrem Zorn darüber die gläsernen Laternen immer wieder ein. Der Schaden war so immens, dass die Stadtoberen Geldbußen von 50, später sogar bis zu 200 Talern von jedem ermittelten Täter verlangten und diese Strafzahlungen auch erbarmungslos eintrieben.
Verbesserung im 19. Jahrhundert
Ab 1803 ging man in Berlin dazu über, die Laternen an Häusern zu montieren oder mittels quer über die Straße gespannten Stricken an diesen abzuhängen. Die zur Beleuchtung verwendeten Ölfunzeln spendeten aber kaum ein wirklich ausreichendes Licht. Und so sprachen die Zeitgenossen damals davon, dass diese nur dazu dienten, um feststellen zu können, wie finster die Nacht wirklich ist. Aber seinerzeit verfügten die Menschen noch über keine besseren Lösungen.
Die stellte sich erst mit der Gaslichterfindung ein. Allerdings sollte es von der Erfindung, Ende des 18. Jahrhunderts, noch einige Jahre dauern, bis in Freiberg 1811 die erste Gasbeleuchtung in Deutschland installiert wurde. Doch in dem alten Fachbuch heißt es hierzu: „Die Erfindung des Freiberger Herrn Professor Lampadius musste wohl noch Mängel gezeigt haben. Vielleicht hatten aber auch die ehrbaren Stadtoberen Bedenken gegen so ein flüssiges Feuer. Falls die kölnische Zeitung vom 20. März 1819 recht hatte, so war überhaupt jede Straßenbeleuchtung zu verwerfen, denn sie widersprach, wie da zu lesen war, theologischen, juristischen, medizinischen, moralischen, polizeilichen, staatswirtschaftlichen und auch volkstümlichen allen Grundsätzen.“
Gasbeleuchtung in Rathenow
Doch trotz Protest der betuchten Bürgerschaft und des geistlichen Klerus entstanden immer mehr moderne gasbetriebene Straßenbeleuchtungsanlagen in Deutschlands Städten.In Rathenow entschloss man sich schließlich, dem allgemeinen Trend folgend, auch zum Bau eines städtischen Gaswerkes. Die ersten 143 mit städtischem Gas betriebenen Gasleuchten erhellten ab Ende 1866 die Stadt. Montiert waren die Leuchten zumeist an privat genutzte Gebäudefassaden und wurden auch aus diesen mit Gas versorgt. Das Licht kam zu jener Zeit von einer handtellergroßen offenen Gasflamme, aus einem sogenannten Schnittbrenner. Im Vergleich zu späteren Lösungen war die Lichtausbeute ziemlich gering. Dennoch waren in der damaligen Zeit Rathenows Bürger über die bis dahin noch nicht gekannte Lichtfülle in den Straßen erstaunt.
Weitere technische Innovationen
Es sollte noch rund 40 Jahre dauern, bis eine bemerkenswerte Erfindung von Carl Auer von Welsbach ab 1894 eine weitere wesentliche Verbesserung bei der städtischen Gasbeleuchtung einläutete. Der von ihm entwickelte Glühstrumpf brachte einen deutlichen Zuwachs an Helligkeit ins städtische Leben. Die technische Neuerung der Pressgasbeleuchtung lieferte1907 die nächste bedeutende Innovation. Das nun unter höherem Druck in die Brenner strömende Gas führte zu einem weiteren Zuwachs an Lichtausbeute je Leuchte. Mit dem 1905 erfundenen Druckwellen-Fernzünder wurde in der Folgezeit das zentrale Zu- und Abschalten der Gaslaternen ermöglicht. Diese Erfindung erhöhte deutlich den Nutzungskomfort von gasbetriebenen Außen- und Straßenbeleuchtungsanlagen. Konnten doch nun die Leuchten von einer zentralen Stelle, ohne eine zusätzliche Hilfskraft, zeitgleich geschaltet werden. Damit verloren immer mehr als Laternenanzünder in den Städten Beschäftigte ihre Arbeit. Schließlich musste dank der Neuerung niemand mehr abends die Flammen in den Laternen anzünden und morgens dann wieder löschen.
Elektrische Beleuchtung verdrängt stetig die Gaslaternen
Durch die Erfindung des „elektrischen Lichts“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zur langsamen, aber stetigen Verdrängung der Gasbeleuchtung in den Städten. Die relativ hohen Energiekosten, die aufwendigere Wartung, die schlechtere Lichtausbeute und die geringere technische Sicherheit sprachen gegen das Gaslicht und für das Elektro-Pendant. Der 2. Weltkrieg und die schwierige Zeit danach veranlassten die Kommunen, zunächst noch an der Gasbeleuchtung festzuhalten. Doch in den folgenden Jahrzehnten setzte sich endgültig die elektrisch betriebene Straßenbeleuchtung immer mehr durch. Kamen anfangs überwiegend Leuchtstofflampen zum Einsatz, wurden später überwiegend nur noch Quecksilberdampf- und Natriumdampf-Hochdrucklampen bestückte Leuchten verwendet.
Frühere Gasbeleuchtung in Rathenow. Sammlung Wodtke
Das Ende der Gasbeleuchtung in der Stadt der Optik
„In Rathenow“, so erinnert sich Horst Schütze, der letzte Leiter des 1965 geschlossenen hiesigen Gaswerkes, „gab es 1959 noch etwa 200 Gaslaternen, die von einem städtischen Lampenputzer betreut wurden. Nach dem Ende der Stadtgasproduktion und Umstellung auf Erdgas aus dem DDR-Verbundnetz wurden die noch wenigen in Betrieb befindlichen Laternen ausgesondert und zügig durch ‘Elektrolampen‘ ersetzt.“
Wiederbelebung der Gasbeleuchtung auf dem Rathenower Kirchberg
Das es seit einigen Jahren wieder 27 gasbetriebene Leuchten auf dem Kirchberg gibt, ist Architekt und Heimatforscher Wolfram Bleis und Altbürgermeister Hans-Jürgen Lünser zu verdanken. Der am Sonntag, den 10. Dezember, seinen 75. Geburtstag feiernde Lünser hatte sich damals in seiner letzten Amtsperiode mit ganzer Kraft gegen Widerstände bei Teilen der Rathenower Stadtverordneten und der städtischen Verwaltung für die Gasbeleuchtung eingesetzt. Entstanden ist rund fünf Jahre später eine moderne Gasbeleuchtungsanlage. Im Bezug auf Lichtausbeute, Verbrauch und Störanfälligkeit hat diese mit den einstigen Vorläufern nur noch relativ wenig Gemeinsames. Leider wurde die laut Planung vorgesehene Wandmontage der Leuchten an den vorhandenen Gebäuden nicht überall, wo möglich, umgesetzt. Damit bleibt die Neuanlage nicht nur hinter ihrem historischen Vorbild weit zurück, sondern ist wesentlich störanfälliger im Bezug auf an- und umgefahrene Beleuchtungsmaste. Dennoch ist vor allem in den Abendstunden das von den Gasleuchten maßgeblich geprägte Flair in Rathenows ältestem Kiez einmalig. Besonders in der jetzigen lichtarmen Jahreszeit ist deshalb ein Besuch sehr zu empfehlen.
Gasbeleuchtung in Deutschland und ihr Wert
Neben Rathenow gibt es in Deutschland noch etwa 40 weitere Städte, die auf Lichtnostalgie mit einer funktionierenden Gasbeleuchtung setzen. Wer sich, in Anbetracht der inzwischen zur Verfügung stehenden hocheffizienten LED-Technologie für Straßenbeleuchtung die Frage stellt, ob denn das Gaslicht noch zeitgemäß ist? Dem sei eine Fülle von Anlagen, Systemen und Bauwerken in Erinnerung gebracht, die umfangreich saniert, oder gar neu errichtet wurden und doch nur ein wesentliches Ziel verfolgen: Geschichte bewahren, an Vergangenes erinnern und Wertvolles beschützen.
Quellen:
• Erfinder und Erfindungen, Dr. Albert Neuburger, 1913 Ullstein & Co Berlin-Wien
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 20. Dez. 2017 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow